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AutorenbildMarko Thomas Scholz

Die USA wollen keinen Frieden im Nahen Osten

Shahid Bolsen, Nahost-Experte und Editor des Blogs »Middle Nation«, hat die »Middle-East«-Strategie der USA analysiert. Sein Befund: Frieden in Palästina schadet den USA.



Will man die außenpolitische Strategie der Vereinigten Staaten von Amerika im Nahen und Mittleren Osten verstehen, darf man nicht den Fehler machen und die Frage aufwerfen, was sich im Einzelnen dort politisch gerade ereignet. Man muss vielmehr die Frage aufwerfen, inwieweit die USA geopolitisch von dem profitieren, was sich im Einzelnen dort politisch gerade ereignet. Dann, und nur dann, lässt sich das geopolitische Ziel erkennen, das man im Weißen Haus verfolgt. Und nur dann versteht man auch, warum das Weiße Haus Benjamin Netanjahu, den amtierenden Ministerpräsidenten des Staates Israel, unterstützt.


»Israel is a policy instrument.«

Der Nahost-Experte Shahid Bolsen hat das geopolitische Ziel der USA erkannt und öffentlich gemacht. In einem erst vor kurzem veröffentlichten Interview sagte er über den israelischen Regierungschef: »Benjamin Netanjahu ist der unbeliebteste, der am meisten verachtete, der korrupteste, der inkompetenteste, der psychopathischste, wahnhafteste und despotischste Herrscher, den Israel je hatte. Und er ist verantwortlich für die Verlängerung und Verschärfung des Konflikts mit den Palästinensern.« Bolsen wirft im selben Interview deshalb die Frage auf, inwieweit die USA davon profitieren, dass sie ausgerechnet einen solchen Ministerpräsidenten unterstützen. Und seine Antwort lautet: Weil Israel für die USA ein politisches Instrument ist, das benutzt wird, um amerikanische Interessen im Nahen und Mittleren Osten durchzusetzen. Wenn man einen rechtsextremen Despoten wie Benjamin Netanjahu politisch unterstützt, kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es niemals zu einem wie auch immer gearteten Frieden zwischen Israel und Palästina kommen wird. Mit anderen Worten, Netanjahu ist eine sichere Bank für Unruhen, für bewaffnete Konflikte und sogar für Krieg mit den Palästinensern. Hat man diese Tatsache erst einmal erkannt, ist man nicht mehr weit davon entfernt das geopolitische Ziel zu erkennen, das man in Washington verfolgt. Es besteht darin, Frieden im Nahen und Mittleren Osten mit aller Macht zu verhindern. Die USA wollen keinen Frieden in Middle East. Sie wollen ihn spätestens seit der Ermordung von Jitzchak Rabin und dem damit verbundenen Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen PLO nicht mehr. Es ist zu vermuten, dass sich die außenpolitische Doktrin der USA geändert hat, als Bill Clinton, der 42. US-Präsident, aus dem Amt schied und der 43. US-Präsident, George W. Bush, zusammen mit seinem Vize Richard »Dick« Cheney ins Weiße Haus einzog.



Henry Kissinger, ehemaliger US-Außenminister und Nationaler Sicherheitsberater, prägte den Satz: »Die USA haben keine Freunde, die USA haben Interessen.« Wenn Frieden im Nahen Osten also nicht zum außenpolitischen Interesse der USA gehört, sondern Unruhen, bewaffnete Konflikte und sogar Krieg, dann ergibt sich gewissermaßen zwangsläufig die Frage: Warum? Die Antwort hierauf ist reichlich simpel. Und sie wird umso zugänglicher, je konkreter man sich vorstellt, was im Friedensfalle wirtschaftlich mit der gesamten Region passieren würde. Wäre die Region befriedet, hätten sämtliche OPEC-Mitglieder im Nahen Osten, also Irak, Iran, Katar, Kuwait, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate einen Anreiz, das befriedete Israel/Palästina als neuen Investitionsstandort für sich zu entdecken. Die Länder kennen einander und arbeiten durch ihre Mitgliedschaft in der OPEC schon jetzt zusammen. Kapitalimporte aus der Region (sog. »Gulf-Investments«) und wirtschaftliches Wachstum wären die Folgen. Wegen des Zugangs zum Mittelmeer hätte Israel/Palästina sogar das Potenzial sich wegen seines Standortvorteils zu einer Art »Dubai 2.0« zu entwickeln.


[Quelle: Google Maps]


Doch damit nicht genug. Ein bilateral verhandelter, robuster und auf Dauer angelegter Frieden im Nahen und Mittleren Osten würde mit sofortiger Wirkung, gewissermaßen »über Nacht«, zu einer Implosion innerhalb der US-amerikanischen Rüstungsgüterindustrie führen. Keine Waffen mehr, keine Munition, keine Raketen, Drohnen, Panzer, Hubschrauber etc., nichts mehr davon würden die Nahost-OPEC-Länder bei den Amerikanern kaufen. Nichts! Man denke nur an die Milliarden und Abermilliarden von Petrodollars aus den Öl-Export-Geschäften mit den Amerikanern. Petrodollars, die der Nahe Osten aufgrund der friedensbedingt veränderten politischen Verhältnisse dann akkumulieren könnte. Anders formuliert, Frieden in Middle East wäre gleichbedeutend mit einer nahezu vollständigen Trockenlegung sämtlicher Kanäle auf den internationalen Devisenmärkten.


Frieden in Palästina schadet den USA.

Der Nahe und Mittlere Osten würde zwar nach wie vor Öl an die USA verkaufen und dafür mit US-Dollars bezahlt werden. Diese Petrodollars würden aber nicht mehr in die USA zurückfließen, weil die Vereinigten Staaten keine Rüstungsgüter mehr an die OPEC-Länder verkaufen könnten; die Dollars würden sich stattdessen in den erdölexportierenden Ländern anhäufen und anhäufen und anhäufen. US-Dollars in den Händen der OPEC sind polit-ökonomisch betrachtet gleichbedeutend mit Erpressbarkeit. Die Vereinigten Staaten von Amerika würden sich gegenüber den OPEC-Ländern in Middle East erpressbar machen, denn alles, was die OPEC-Länder tun müssten, um die USA zu erpressen, ist, anzukündigen ihre US-Dollar-Reserven auf den internationalen Devisenmärkten zum Verkauf anzubieten. Der Devisenkurs des Dollars würde binnen eines einzigen Handelstages zusammenbrechen. Und dieses Szenario, exakt dieses Szenario, bedeutet für Washington die Apokalypse schlechthin. Frieden in Palästina schadet den USA! Und weil er ihnen schadet, will die US-Regierung ihn nicht. Sie will ihn nicht nur nicht, sie tut alles, wirklich alles erdenkliche, um aktiv zu verhindern, dass es eines Tages Frieden in Middle East gibt. Die Menschen, die währenddessen ums Leben kommen, und zwar sowohl auf israelischer wie auf palästinensischer Seite, sind der US-Regierung egal. Hauptsache, es sind keine Amerikaner, die dabei ihr Leben lassen. Menschenleben außerhalb der USA haben in Washington noch nie eine Rolle gespielt, wenn es darum gegangen ist US-amerikanischen Machterhalt zu sichern bzw. auszubauen.


»Gäbe es kein Israel, müssten die Vereinigten Staaten von Amerika ein Israel erfinden, um ihre Interessen in der Region zu schützen.« (Joe Biden)

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht der Freund Israels, sie sind dessen größter Feind. Israel wäre gut beraten, sehr gut beraten, sich von den USA zu befreien. Solange Israel die Hand der Amerikaner, diese vermeintlich helfende, in Wahrheit aber teuflische Hand, nicht zurückweist, endgültig zurückweist, solange wird es weder eine »Zwei-Staaten-Lösung«, noch eine »Ein-Staat-Lösung« für beide Beteiligten (Israel und Palästina) in der Region geben.



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